Nos vies valent plus que leurs profits

[en allemand] Erschütterungen innerhalb des imperialistischen Systems und die Aufgaben für revolutionäre Kommunist:innen

5. Juni 2023

Die Veränderungen des imperialistischen Systems seit dem Zusammenbruch der UdSSR und dem Aufstieg Chinas, die Kriege auf dem Balkan, dann im Irak, in Libyen und Syrien, Bürgerkriege und manchmal Völkermorde wie in Ruanda, die größeren Krisen der Weltwirtschaft in einem fast zehnjährigen Rhythmus, dann die Pandemie und ihre Folgen, offenbaren eine tiefgreifende Umstrukturierung der kapitalistischen Wirtschaft und eine Umgestaltung der sozialen Klassen und der innerimperialistischen Kräfteverhältnisse auf internationaler Ebene. Die Gegenbewegungen, Erhebungen und manchmal auch Aufstände haben bedeutende Teile des Proletariats und ganze Sektoren der Arbeiter:innenklasse mobilisiert, auch wenn diese Proteste, die sowohl zivile Regierungen als auch Militärdiktaturen stürzten, nicht über einige Formen der Gegenmacht hinauskamen – auch nicht im Rahmen des Arabischen Frühlings. Diese objektiven Faktoren der Instabilität des Systems könnten zusammentreffen und in echte soziale Revolutionen münden. Dies macht es unerlässlich, den „subjektiven“ Faktor zu stärken, indem Führungen – revolutionäre Parteien – aufgebaut werden, die in der Lage sind, diese politischen und gesellschaftlichen Proteste zu verstehen, sich mit ihnen zu verbinden und in sie einzugreifen, mit dem Ziel, die Chancen zu nutzen und die Revolten in soziale Revolutionen zu verwandeln. Diese sozialen Revolutionen würden nicht nur einen Diktator oder ein Regime stürzen, sondern der Diktatur des Kapitals ein Ende setzen und eine Situation der Doppelmacht herstellen, die in eine Regierung der Arbeitenden mündet.

Dieses Wiedererstarken der Kampfbereitschaft der Arbeiterklasse steht im Moment der Verspätung gegenüber, mit der das Proletariat sowohl auf den sozialen Niedergang seiner Lebensbedingungen als auch auf die manchmal unumkehrbare Verwüstung der Ökosysteme reagiert. Die blutige Neuordnung von Kapitalismus und Imperialismus, die unter anderem in der russischen imperialistischen Aggression in der Ukraine zum Ausdruck kommt, eröffnet die Möglichkeit eines neuen Zyklus der direkten Konfrontation zwischen der führenden imperialistischen Macht – den USA – und den mit ihr konkurrierenden Mächten wie China. Es ist diese Möglichkeit, die dieser Konferenz unserer Meinung nach eine große Bedeutung verleiht: In Zeiten, wo das Säbelrasseln immer lauter wird und die Militärbudgets ins Unermessliche steigen, in Zeiten, wo überall auf der Welt Revolten der arbeitenden Klassen ausbrechen, ist es wichtig, dass die revolutionären und internationalistischen Gruppen trotz ihrer bescheidenen Kräfte nach Wegen suchen für eine unabhängige Intervention der Arbeiter:innenklasse.

Sein Lager oder seine Klasse wählen: Eine wichtige Entscheidung, aber nur eine Vorbedingung

Die Verurteilung der russischen Aggression, die Forderung nach dem Abzug der russischen Truppen und die Anerkennung der Ukraine sind Vorbedingungen für die Festlegung einer Klassenposition in diesem Krieg. Aber sie reichen nicht aus, um eine Klassenperspektive zu erarbeiten. Die Verurteilung der US-Manöver, der Ausweitung der finanziellen und militärischen Unterstützung des Zelenskyj-Regimes durch den Westen, der zunehmenden Präsenz von NATO-Truppen, der Militarisierung der Staatshaushalte und unsere Opposition gegen die Propaganda, welche ein angeblich „demokratisches“ Lager einem diktatorischen Lager gegenüberstellt, sind ebenfalls Teil der notwendigen Positionen, um ein proletarisches Lager zu skizzieren, das sich auf keine Seite der beteiligten imperialistischen Lager schlägt. Allerdings müssen wir unsere Aufmerksamkeit darüber hinaus richten. Eine unabhängige Klassenpolitik, die auf internationaler Ebene wahrnehmbar wäre, besteht heute sicherlich nicht ausreichend. Und doch ist dies der einzige Ausweg, denn der beste Weg, einen Krieg zu beenden, ist die Mobilisierung der Arbeiter:innenklasse, um ihre Ausbeuter:innen in Russland, der Ukraine und auf internationaler Ebene zu stürzen. Diese Bemerkungen – und die Diskussionen, die wir untereinander führen müssen – sind noch kein Programm für die Arbeiter:innenklasse und die Jugend, aber sie könnten dazu beitragen, die Grundlagen für einen Zusammenschluss gegen diese Kriegssituation und ihre mögliche Ausweitung zu legen. Auch hier müssen wir feststellen, dass die internationalen Initiativen von revolutionären Kommunist:innen mehr als ein Jahr nach dem Beginn des Krieges in der Ukraine noch im Stadium von Projekten sind.

Der Wiederaufbau des Internationalismus

Die Schwierigkeiten für ein genaues Verständnis der sozialen und politischen Reaktionen der Arbeitenden in der Ukraine und in Russland hindern uns bislang daran, eine genau definierte Politik zu verfolgen, geschweige denn zu intervenieren. Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer Koordination der revolutionären Bewegung, und sei es nur für einen Austausch, ganz zu schweigen von Zusammenarbeit und gemeinsamen Ausarbeitungen. Dabei könnten wir gerade in diesem Bereich konkrete und für unsere Klasse nützliche Schritte unternehmen, nicht nur indem wir innerhalb der bestehenden Widersprüche einer Situation agieren, sondern indem wir neue Möglichkeiten schaffen.

Das soziale Aufbegehren, das mit bedeutenden Bewegungen teilweise in Europa zu beobachten ist – in Großbritannien, Frankreich und sogar in Deutschland –, wurde durch den innerimperialistischen Wettbewerb, die Inflation und die Einschnitte in den Bereichen öffentlicher Dienstleistungen ausgelöst. Es führte zu neuartigen gesellschaftlichen Erfahrungen, die eine gemeinsame Politik der revolutionären Gruppen möglich machen könnten, was längst nicht immer selbstverständlich ist. In Lateinamerika, insbesondere in Argentinien, wo es substanzielle revolutionäre Minderheiten gibt und ein wirtschaftlicher Zusammenbruch wahrscheinlich ist, kann eine politische Intervention der Arbeiterklasse in größerem Maßstab in Betracht gezogen werden. Die unterirdischen Bewegungen in China und anderswo unterstreichen die Schwierigkeiten, aber auch die Potenziale der Situation. Aber diese notwendige Kampfbereitschaft wird nicht hinreichend sein, davon sind wir alle überzeugt: Spontane Bewegungen, so tiefgehend und massiv sie auch sein mögen, können nicht zu revolutionären Veränderungen der Gesellschaft führen ohne das Eingreifen politischer Organisationen, die klar die Frage einer sozialen Revolution mittels Machtorganen der Arbeiterklasse aufwerfen, und nicht nur die einer politischen Revolution oder einer politischen Lösung, die auf dem Boden der bürgerlichen Institutionen verbleibt. Selbstverständlich sind die revolutionären Organisationen weit davon entfernt, in der Lage zu sein, eine solche Politik vorzuschlagen, selbst dort, wo die spontane Bewegung sehr weit gegangen ist, wie im Iran. Aber das ist kein Grund aufzugeben, und genau das macht Erfahrungsaustausche und Diskussionen aller Gruppen um einen Tisch herum notwendig, ohne jeden Anspruch auf Hegemonie, sondern einfach deshalb, weil die Ausarbeitung einer Politik und erst recht ihre Umsetzung eine zugleich globale und genaue Kenntnis der Situation erfordert, die keine Gruppe oder internationale Strömung für sich allein genommen hat.

Die Risiken einer Verallgemeinerung des in der Ukraine begonnenen Krieges und die Frage der Intervention der Arbeiterklasse verleihen dem Thema der Konferenz Relevanz und der Konferenz die Chance, fruchtbar zu werden. Die tiefgreifenden Veränderungen des Weltmarkts, des Produktionssystems, der Klassen, der Migrationsströme von Arbeitskräften, der Kräfteverhältnisse zwischen den imperialistischen Mächten, der Niedergang von manchen alten und das Aufkommen neuer Mächte führen oft zu unterschiedlichen Einschätzungen unter uns – daher das Bedürfnis und sogar die Notwendigkeit, über diese Fragen zu diskutieren. Wir halten es für wichtig, in einer zweiten Phase die Frage der ersten Schritte hin zu einem gemeinsamen Rahmen für den Austausch von Informationen und aktivistischen Erfahrungen anzugehen, der eine notwendige Voraussetzung für die Schaffung von Vertrauensverhältnissen ist, die für den Aufbau einer neuen Internationale von morgen unerlässlich sind.

Die Revolutionär:innen versammeln

Die Arbeiterklasse ist weltweit so zahlreich wie nie zuvor, mit der Entstehung eines großen Proletariats in China, Indien und den sogenannten Schwellenländern. Fragen nach den Formen der bürgerlichen Demokratie – zum Beispiel die Forderung nach einer verfassungsgebenden Versammlung – sollten daher nicht mehr automatisch als „politische Lösung“ in den Vordergrund gestellt werden, sobald eine tiefgreifende soziale Bewegung ein autonomes Eingreifen der Arbeiter:innenklasse in die Politik auf die Tagesordnung setzt. Die Frage der Arbeiter:inneneinheitsfront – die von der Aktivität innerhalb der Gewerkschaften als ihrer einfachsten Form bis hin zur Haltung gegenüber reformistischen Organisationen im Niedergang reicht – wird sicherlich Gegenstand von Debatten sein müssen. Ganz zu schweigen von der offenen Frage, wie die Bedingungen zu bewerten sind, unter denen nationale Befreiungskämpfe und antikoloniale Kämpfe den Arbeitenden revolutionäre Ansatzpunkte verschaffen können.

All dies sollte Teil der Diskussionen zwischen uns sein, aber es ist wichtig, einen Rahmen ins Leben zu rufen, der es uns ermöglicht, die relative Unwissenheit zu überwinden, in der wir uns alle bezüglich der genauen Situation in sehr vielen Ländern befinden.

Die Herausforderung, die vor uns liegt, ist der Aufbau von Beziehungen zwischen Aktivist:innen, die aus konkretem Austausch und aus aufgebautem Vertrauen bestehen, zwischen Gruppen, die auf nationaler Ebene manchmal „Konkurrentinnen“ sind. Ohne unsere Unterschiede und Meinungsverschiedenheiten zu verleugnen, sondern indem wir sie annehmen, ist es möglich, unsere Debatten und unsere gemeinsamen oder getrennten Projekte auf verantwortungsvolle Weise vor den bewussteren Arbeitenden auszubreiten. Eine Kampagne gegen den imperialistischen Militarismus, die mehr als nur propagandistisch ist, ist schwer zu verwirklichen. Dennoch ist sie dringend notwendig. Wir könnten eine jährliche Konferenz ins Auge fassen, auf der wir uns über unsere aktivistischen Erfahrungen (unsere bescheidenen Siege, aber auch unsere Fehlschläge) austauschen, wo wir unsere jeweiligen Ausarbeitungen der Kritik unserer Genoss:innen unterbreiten und wo wir nach und nach beginnen könnten, auf der Grundlage überprüfter und bewährter Erfahrungen, eine Zusammenarbeit in Betracht zu ziehen. Eine bescheidene Perspektive, aber angesichts des Zeitdrucks wäre das ein großer Sprung nach vorn.

 

 

 


 

 

La contribution du NPA à la conférence de Milan de juillet 2023 en différentes langues